Haifa, Haifa

10.10.13

Wir sind jetzt seit einem Monat hier. Haben uns gut eingelebt in den großem Altbau in Hadar dem Araberbezirk von Haifa. Hadar is laut dreckig und ganz nach meinem Geschmack! Als wir mitten in der Nacht hier ankamen hatten einige Mädels doch schon Sorgenfalten im Gesicht, den mit den vielen leer stehenden Häusern und den zwielichtigen Ecken wirkt es Nachts ein wenig gruselig. Wer schonmal mitten in der Nacht im tiefsten Wedding war weiß was ich meine. Alle nennen ihn so den „Araberbezirk“ aber in Wahrheit wohnt hier alles. Orthodoxe Juden, umgesiedelte Russen, christliche Araber und gefühlte 10000 Taxifahrer die schon mal in Deutschland gelebt haben. Jedes mal wenn wir in ein Taxi steigen müssen wir erzählen aus welchen Städten wir genau kommen. Alles lebt hier friedlich nebeneinander. Der Reiseführer nennt Haifa das Thermometer Israels, da an den Unis hier Muslime und Juden enger miteinander Kontakt haben als im getrennten Jerusalem oder im ultramodernen Tel Aviv. So merkt man hier zuerst wenn ein Konflikt sich anbahnt. In unserem Miethaus haben wir eine muslimische Studentin, einen russischen Geschäftsmann und zwei liebe jüdische Männer mittleren Alters mit ihrer ungefähr 100 Jahre alten Mutter. Woher ich das so genau weiß? In dem einem Monat hier haben wir bereits alle – mindestens einmal – in der Wohnung gehabt, wer jetzt denkt, dass das an der typischen nah östlichen Gastfreundschaft liegt die uns angsteckt hat, der irrt. Es lag eher an der typischen nah östlichen Baukunst, die uns Stromausfälle, Wasserschäden und herausspringende Leitungen bescherrt hat. Unsere Nachbarn waren allerdings wirklich alle sehr freundlich und hilfsbereit, sodass wir nun öfters auf dem nur 2 Minuten entfernten berühmten Lebensmittelnmarkt nett grüßen und Fragen über den Zustand unserer Wohnung beantworten. Auch der bei Problemen schnell herbei eilende Hausmeister winkt immer nett von seinem 2. Arbeitsplatz (Fischverkaufsstand) herüber. Obwohl alle hier sehr nett sind und auch immer gleich ein Gespräch anfangen wollen auf dem Markt, habe ich mich an das Anstarren bei weitem noch nicht gewöhnt. Ich bin mir nicht ganz sicher ob es daran liegt, dass die Menschen hier noch nie einen nicht arabisch sprechenden Muslim gesehen haben und die deutschen Unterhaltungen mit meinen Mitbewohnern oder Mitfreiwilligen als äußerst ungewöhnlich wahrnehmen, oder ob es daran liegt das ich mit meiner Abaya (muslimisches langärmiges Kleid) doch sehr aus den Massen an Leggings und Glitzer Tops der meisten arabischen Frauen, heraussteche. Aber solange es nur bei Blicken bleibt und keiner mit Steinen wirft (wie von vielen libanesischen Freundinnen befürchtet), bin ich zufrieden und ertrage es.

Meinen Arbeitsplatz, ein Heim für körperlich und geistige Behinderte in verschiedenen Abstufungen von sehr schwer wie in dem mir zugeteilten „Appartment“ oder eher mittel wie z.B. bei Änky (eine meiner 4 Mitbewohnerinnen) ist etwa 40 Minuten mit dem Bus entfernt. So fahren alos fast jeden Morgen Änky, Sleepy und der Randberliner Nick um 5:30 morgens zur Arbeit. Ich mag die 3 echt, was für ein Glück ist es, denn wir haben außer dem noch einmal die Woche hebräisch Unterricht zusammen. Nick treibt mich zwar ab und zu auf dem Nachhauseweg in den Wahnsinn (morgens bin ich viel zu müde um meine Umwelt zu bemerken) aber er ist ein witziger Kerl. Da wir alle solch liebenswerte aber leider ganz arme Leutchen sind, hat die halbe Belegschaft es sich zur Aufgabe gemacht uns mit allem zu beschenken was sich finden lässt. Wir sind so „arm“ weil in Israel jedes Kind was nur im entferntesten von seiner Mutter getrennt ist hilfsbedürftig ist (trotz unseres Alters) und weil der Regelsatz den wir von unserer Organisation bekommen (Fahrtgeld, Essensgeld und Taschengeld) für die Mitarbeiter anscheinend ein Hungerlohn darstellt, obwohl sie selbst mit dem weit unterbezahlten Pflegeberuf meist Familien zu versorgen haben. Uns wird also alles von Joghurt über Schuhe bis zu Winterjacken geschenkt was wir tragen können. Da wir uns anscheinend allseits beliebt gemacht haben werden wir nun fast jedes Wochenende von irgendjemanden, meist Pflegerinnen aus meinem „Appartment“ zu sich ins Dorf eingeladen und lernen dort Familien kennen. Ich sage Pflegerinnen aber keiner dieser Frauen hat eine Ausbildung oder wurde in einer Form „angelernt“. Das Motto ist hier „learning by doing“. Der Pflegeberuf in Israel ist etwa auf derselben Stufe wie Gebäudereinigung. Wer also nichts wird, wird nicht Wirt, sondern kümmert sich um kranke hilfsbedürftige Menschen. Klingt nach einer guten Idee. Dementsprechend hoch ist die Professionalität. Die meisten von ihnen brauchen einfach das Geld, und wollten nie mit behinderten Menschen arbeiten, dementsprechend hoch ist die Motivation. Trotzdem sind diese Frauen von Anfang an sehr herzlich uns gegenüber gewesen. Die neuen deutschen Ziehkinder werden also stolz herum gezeigt von den Kindern bis zur Omi dürfen alle mal staunen, über das Mädchen mit dem blonden Haar (inklusive Sidecut) und Tunnel in den Ohren, und der Muslima die kaum Arabisch spricht. Wir werden voll-gestopft mit dem besten was die palästinensischen Küche zu bieten hat, und werden mit den umliegenden arabischen Dörfer von Haifa bekannt gemacht.

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